Synkopen
- P. Jackel
- 25. Feb.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Apr.
Die Synkope ist ein alltäglicher Alarmgrund im Rettungsdienst. Synkopen treten häufig auf und erfordern eine umfangreiche Diagnostik sowie ein grundlegendes differenzialdiagnostisches Vorgehen, um zwischen einer einfachen Ursachenabklärung, einem schwerwiegenden internistischen oder neurologischen Problem und einer Bagatelle zu unterscheiden.
Was ist eine Synkope?
Eine Synkope ist eine transiente Bewusstlosigkeit mit Verlust des Muskeltonus, gefolgt von einer spontanen und vollständigen Erholung innerhalb von Sekunden.

Begrifflichkeiten:
Synkope: Bewusstlosigkeit mit Tonusverlust
Präsynkope: Prodromalstadium der Synkope ohne Bewusstlosigkeit und Tonusverlust
Kollaps: Isolierter Tonusverlust bei erhaltenem Bewusstsein
Konvulsive Synkope: Sonderform mit für Sekunden anhaltenden Kontraktionen der willkürlichen Muskulatur, die einem Krampfanfall ähneln können.
Eine Bewusstlosigkeit tritt auf, wenn der zerebrale Blutfluss für mindestens 6–8 Sekunden unterbrochen oder gestört ist oder der systolische Blutdruck unter 60 mmHg fällt.
Einteilungen der Synkopen
Kardiogene Synkope:
Ausgelöst durch ein akut vermindertes Herzzeitvolumen aufgrund einer arrhythmogenen Störung wie einer Bradykardie oder einer tachykarden Rhythmusstörung, einer strukturellen Herzerkrankung wie einer Klappenstenose oder Kardiomyopathie oder durch eine primär extrakardiale Erkrankung wie eine Aortendissektion, pulmonale Hypertonie oder eine Lungenarterienembolie.
Orthostatische Synkope:
Vorwiegend bei älteren Menschen kommt es aufgrund einer ungenügenden sympathotonen Regulation zu einem „Versacken“ des Blutvolumens. Dabei lassen sich die neurogene und die nicht-neurogene orthostatische Synkope unterscheiden.
Die neurogene Orthostase entsteht durch eine vorbestehende neurologische oder internistische Erkrankung des Nervensystems, wie beispielsweise durch Diabetes mellitus, Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose. Dies führt zu einer gestörten Gefäßregulation mit vermindertem Blutdruckanstieg und dadurch zur Synkope.
Die nicht-neurogene Orthostase entsteht durch einen Volumenmangel oder unter dem Einfluss von Medikamenten, die eine reduzierte sympathische Regulation zur Folge haben.
Reflexsynkope:
Die Reflexsynkope oder auch vasovagale Synkope entsteht durch eine Fehlregulation oder eine überschießende Reflexantwort. Sie lässt sich, ähnlich wie die orthostatische Synkope, in zwei Kategorien unterteilen: die neurogene und die situative Reflexsynkope.
Die neurogene Reflexsynkope tritt häufig bei jüngeren Menschen auf und wird oft durch eine vorhergehende Stressreaktion ausgelöst. Typische Auslöser sind langes Stehen, Angst oder Schmerzen, beispielsweise während eines Konzerts.
Die situative Reflexsynkope entsteht im Zusammenhang mit bestimmten Handlungen, z. B. beim Pressen während der Miktion oder Defäkation. Ebenso können Husten, Niesen oder körperliche Anstrengung als Auslöser infrage kommen.
High- vs Low-Risk Synkopen
Da eine genauere Einteilung der Synkopen im Einsatz erschwert sein kann, erfolgt eine pragmatische Einteilung in High-Risk- und Low-Risk-Synkopen. Ziel ist es, insbesondere diejenigen Synkopen zu identifizieren, die aufgrund einer kardialen Ursache entstanden sind und eine akute Krankenhausbehandlung erfordern. Diese sollen von den „einfachen“ Volumenmangelsynkopen (nicht-neurogene Orthostasen) abgegrenzt werden.
Tritt eines der High-Risk-Symptome bei einem Patienten auf, wird die Synkope als High-Risk-Synkope gewertet.
High-Risk-Synkopen (Major Synkope)
Palpitationen
Angina-pectoris-Beschwerden
Auftreten im Liegen
Auftreten unter körperlicher Belastung
Fehlende Prodromi
Familiär bekannte Herzfehler
Low-Risk-Synkopen (Minor Synkope)
Zur Identifikation einer orthostatischen Ursache können die „3 P“ genutzt werden:
Prodromi (Vorzeichen wie Schwindel, Übelkeit oder Schwitzen vor der Synkope)
Posture (Auftritt im Stehen oder beim Lagewechsel)
Provokation (Auslöser wie langes Stehen, Hitze, schnelles Aufstehen)
Diagnostik zur Synkopenabklärung
xABCDE-Schema
Ganzkörperuntersuchung
Anamnese (SAMPLER, OPQRST, fokussierte Anamnese zu kardialen und neurologischen Vorerkrankungen, inklusive Familienanamnese)
Monitoring (SpO₂, RR, diagnostischer EKG-Kanal)
Blutgasanalyse (BGA)
EKG-Diagnostik
Besonderes Augenmerk sollte auf EKG-Veränderungen gelegt werden, die eine Synkope verursacht haben könnten, darunter:
Rhythmusstörungen (AV Blöcke, Brady- / Tachykarderhythmusstörung / Sinusarrest)
Ischämiezeichen
QTc-Verlängerungen
Spezifische EKG-Auffälligkeiten wie das Brugada-Syndrom
Da kardiogene Synkopen einen bedeutenden Anteil ausmachen und diagnostisch anspruchsvoll sein können, gibt es ein Akronym zur Erkennung von Warnzeichen in der Anamnese:
CHESS-Akronym
C – Congestive Heart Failure (Herzinsuffizienz)
H – Hämatokrit/Hämoglobin
E – EKG-Abnormalitäten
S – Shortness of Breath (Atemnot)
S – Systolischer Blutdruck unter 90 mmHg bei Erstmessung.
Beim Auftreten dieser Warnzeichen ist mit einer möglichen kardialen Ursache der Synkope zu rechnen.
Bestehen keine Anzeichen für eine kardiogene Synkope, eine genauere Einteilung ist jedoch nicht möglich, kann der Schellong-Test zur weiteren Differenzierung einer Orthostase, einer potenziell neurologischen Ursache oder eines posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndroms (POTS) genutzt werden. Hierbei wird der Blutdruck regelmäßig über 10 Minuten im Sitzen gemessen und anschließend für weitere 10 Minuten im Stehen. Dabei wird darauf geachtet, ob sich Symptome provozieren lassen und insbesondere, ob es zu einer signifikanten Abweichung von Blutdruck und/oder Herzfrequenz im Vergleich zur sitzenden Position kommt.
Differenzialdiagnosen
Häufig werden sechs Hauptursachen für eine transiente Bewusstlosigkeit genannt, die als "6S" bekannt sind:
Synkope
Seizure (Krampfanfälle)
Stroke (Schlaganfall)
Sugar (Hypo-/Hyperglykämie)
Substance (Intoxikationen)
pSyche (Pseudosynkope)
Eine seltene, aber relevante Ursache kann das Karotissinus-Syndrom sein. Typischerweise tritt es bei Druck auf den Halsbereich (z. B. durch eine enge Krawatte) auf. Dabei kommt es durch eine vorbestehende arteriosklerotische Veränderung der Carotis und der Barorezeptoren zu einer erhöhten Sensitivität. Durch äußere Einflüsse, wie z. B. das Tragen einer Krawatte, kann es zu einer übermäßigen Aktivierung der Barorezeptoren kommen. Dies führt zur Kardioinhibition mit Hypotonie und/oder Bradykardie bis hin zu einem Adam-Stokes-Anfall, wobei der Blutdruck um bis zu 50 mmHg abfallen kann. Symptome sind Schwindel oder eine Synkope. Klassischerweise können diese Symptome auch durch schnelle Kopfbewegungen ausgelöst werden.
⚠ CAVE: Dies kann in seltenen Fällen einen Schlaganfall auslösen – daher nicht absichtlich provozieren!
Rule of 15
Die sogenannte "Rule of 15" beschreibt Erkrankungen, die jeweils für ca. 15 % der Synkopen verantwortlich sein können:
Myokardinfarkt
Lungenarterienembolie
Aortendissektion/Aortensyndrom
Intrakranielle Blutungen
Abdominelle/GI-Blutungen
Extrauterine Gravidität
Therapie
Da Synkopen vielfältige Ursachen haben, gibt es keine pauschale Therapie.Die im Rettungsdienst angewandte Therapie sollte immer ursächlich und symptomatisch erfolgen.
Offensichtliche Auslöser sollten vermieden werden (z. B. Laufen nach der Synkope, ruckartige Kopfbewegungen).
Bei Anzeichen einer Dehydration oder orthostatischen Dysregulation sollte ausreichend Flüssigkeit zugeführt werden.
Eine Klinikvorstellung ist im Allgemeinen empfohlen, um ein Rezidiv zu vermeiden und die Ursache zu identifizieren.
In seltenen Fällen kann ein Patient nach vollumfänglicher Untersuchung und Ausschluss potenzieller Differenzialdiagnosen auch vor Ort verbleiben.
Quellen:
Thieme Checkliste medical Skills
Thieme Notfallsanitäter Retten
2018 ESC Guidline of manamget
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